Sonntag, 22. Juli 2012

Dieser Moment

Der Regen trommelte auf das Auto. Innen war es warm und trocken, hier draußen war es kühl und wurde zunehmend nasser. Annie kramte in ihrer Handtasche nach dem Schlüssel. Nach einer kleinen Ewigkeit hatte sie ihn gefunden, öffnete den Wagen und stieg auf der Fahrerseite ein. Drei Sekunden später öffnete ich die Beifahrertür, die sie für mich entriegelt hatte und ließ mich auf Sitz fallen. Grinsend sah sie mich an.

"Du siehst ziemlich bedroppelt aus." "Na, vielen Dank", erwiderte ich, ebenfalls grinsend. "Du meinst wohl, dass du besser aussiehst?" Sie warf ihre Handtasche auf den Rücksitz. Der Zündschlüssel steckte bereits im Zündschloss. Sie drehte ihn ein Stück. Am Autoradio erwachte die Anzeige zum Leben und irgendein Charthit aus dem Lokalradio beschallte ziemlich laut den kleinen VW. Sie drehte die Lautstärke herunter, lümmelte sich auf den Sitz und drehte den Kopf zu mir, strich sich die nassen dunklen Haare aus dem Gesicht. "Gefall ich dir so nicht?" fragte sich mich herausfordernd. Ich hatte so viel Schlagfertigkeit nicht erwartet und wusste nicht, was ich erwidern sollte.

Dann spürte ich eine Hand auf meinem Knie. "Ich weiß, dass ich dir gefalle. Ich merke, wie du mich ansiehst, dich aber nicht traust etwas zu sagen", sagte sie. Ihr Gesicht war plötzlich nah bei meinem, ich spürte ihren Atem. "Weißt du", fuhr sie fort, "mir geht es da nicht anders..."
Ich sah ihr in die tiefblauen Augen, dachte, ich würde darin versinken.
Meine Hand legte sich auf ihre, wir verschränkten unsere Finger ineinander.

"Annie", sagte ich flüsternd, "ich würde dich jetzt gern küssen."
Sie blickte mich an. Die Haare waren ihr wieder ins Gesicht gefallen. "Tu es", sagte sie nur.

Mein Herz schlug mir bis zum Hals, als ich mich zu ihr beugte und über ihre Wange strich. Auf ihrer weichen Haut perlten einzelne Regentropfen. Ihre Haare nach hinten streichend brachte ich unsere Gesichter einander so nahe, wie sie sich zuvor noch nie gewesen waren. Mein Denken setzte aus, ich schloss die Augen und überwand die letzten Zentimeter. Warme, weiche Lippen empfingen mich, ich spürte einen warmen Atem auf den meinen. Annie hatte ihren Mund leicht geöffnet. Langsam begannen unsere Lippen miteinander zu tanzen. Ihre Arme schlangen sich um meinen Oberkörper, sie presste mich an sich. Ich spürte ihren Körper und empfand unsagbare Wärme, von der ich nicht wusste, ob sie von außen oder aus meinem tiefsten Innern kam.

Ein Seufzer entfuhr mir. Im Radio liefen mittlerweile die Nachrichten, aber wir nahmen das gar nicht wahr. Annie hatte soeben meine Zunge mit der ihren entdeckt. Unser Kuss wurde immer inniger. Keiner von uns beiden konnte sich in diesem Moment vorstellen, ihn jemals beenden zu wollen...

Montag, 21. Mai 2012

Versetzt 2

Und dann kommt es gar soweit, dass du dich auf den einstündigen Weg zur Verabredung machst. Du bist pünktlich da. Rechnest ohnehin mit einer Wartezeit von zehn bis dreißig Minuten, man kennt das.

Aber nach dreißig Minuten stehs du noch immer wie geliefert und nicht abgeholt am Bahnhof. Ebenso nach vierzig und fünfzig Minuten. Nach dreiundfünfzig Minuten stehst du wieder auf dem Bahnsteig und wartest, dass der Zug zurück nachhause kommt.

Und wiederum etwas mehr als eine Stunde später bist du wieder daheim und fragst dich, was passiert ist.

Nach fast zwei Wochen hast du noch immer keine Antwort darauf. Du fragst dich, womit du das verdient hast. Du solltest sie einfach vergessen. Aber das geht nicht. Schon deshalb nicht, weil du wissen willst, was das ganze soll.

Donnerstag, 19. April 2012

Versetzt

Auf dem Handy ist eine Nachricht. "Muss leider absagen, muss auf der Arbeit einspringen."

Du weißt, dass es nicht an dir liegt. Du denkst, dass sie sich wahrscheinlich auch lieber mit dir treffen würde, als Doppelschichten zu schieben.

Trotzdem steigt die Enttäuschung in dir auf.

Montag, 9. April 2012

1. Damals und jetzt

Plötzlich waren sie zu dritt.

Ein neues Leben war entstanden. Ein Leben, das aus einem Paar, aus zwei Partnern, eine Familie werden ließ. Ein kleiner Junge, der in den Armen seiner Mutter lag. Die ihn an sich drückte. Und sich glücklich fühlte. Glücklich war.
Der Vater, der von der Arbeit kam und seinen Stammhalter, wie man sagte, stolz ansah und ihn dann selbst ans Herz presste.

Ein glücklicher Tag im Herbst. Irgendwann in den Achtzigern. Es war nicht der erste und nicht der letzte.

###

Er sitzt allein zuhause. Fühlt sich verlassen. Weiß aber, dass er nicht allein ist. Dass in der Welt - und auch darüber - Menschen sind, die für ihn da sind.

Ein trüber Tag im Frühling. Fast dreißig Jahre später. Beileibe nicht der erste. Und sicherlich auch nicht der letzte. Aber voller Hoffnung.

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Aktuelle Beiträge

Dieser Moment
Der Regen trommelte auf das Auto. Innen war es warm...
frisch von der seele - 22. Jul, 09:50
Versetzt 2
Und dann kommt es gar soweit, dass du dich auf den...
frisch von der seele - 21. Mai, 20:52
Versetzt
Auf dem Handy ist eine Nachricht. "Muss leider absagen,...
frisch von der seele - 19. Apr, 12:29
1. Damals und jetzt
Plötzlich waren sie zu dritt. Ein neues Leben war...
frisch von der seele - 9. Apr, 16:01

Links

Suche

 

Status

Online seit 4403 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 22. Jul, 09:50

Credits


biographie
fiction
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren